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Märchen von http://www.grey-wolf-guruev.com/

VON DEN LACHSEN

Es war an der Zeit, dass die Lachse zu den Gewässern schwimmen mussten, wo die Seelen ihrer Eltern beheimatet sind. So
durchschwammen sie in vielen, ich würde sagen, in unzählbaren Tagen und Nächten das große Meer, das sie als Kinder einst durchwandert hatten.
Sie schwammen in die Richtung, die ihnen einst vom großen Gesetz aufgetragen worden war. In die von den Bergen herabstürzenden Flüsse, die das große Meer ein großes Meer sein lassen.

Zwei der Lachse hatten sich besonders eng aneinandergeschlossen. Man konnte sie beinahe für Zwillinge halten. Die beiden führten ein Gespräch, um sich die Zeit der langen Wanderung zu verkürzen.
"Ist es nicht mühsam, so weite Strecken schwimmen zu müssen? Nur um Kinder in die Welt zu setzen. So lange Wege muss man wandern.* Der andere Lachs antwortete: »Es ist nun mal so. Das große Gesetz hat uns erschaffen. Das große Gesetz lässt
uns wandern und lässt Kinder kommen. Das große Gesetz lässt uns sterben." »Ja, aber«, fuhr der andere
fort, »wenn ich nur an die ganzen Strapazen und Gefahren denke. Von mordgierigen Nachbarn ganz
zu schweigen, müssen wir auch noch hoch in den Flüssen über riesige Wasserfälle springen. Und wird
dann nicht doch das große Gesetz umgangen?*
»Wieso?«, kam es aus des Zweiten Maule. »Na, wenn der Zufall zuschlägt? Wenn Tiger und Bären am
Ufer oder in Stromschnellen stehen und uns zum Fressen fangen?« Hoffnung kam in des Lachses
Augen auf. Würde doch der Zufall dem großen Gesetz ein Schnippchen schlagen. Doch der zweite
Lachs antwortete: "Irrtum, meine Beste. Der Zufall ist das große Gesetz,*
Danach verfielen die Lachse ins Schweigen. Für immer. Oder hast du je Fische über das große
Gesetz sprechen hören? Das machen nur wir Menschen. Um wie vieles weiser sind doch die
Tiere.


EINE MONGOLISCHE LEGENDE

Vor langer, wirklich langer Zeit gab es nur Tiere auf der Welt. Vom Menschengeschlecht war nichts zu sehen. Eine Gruppe
blauer Wölfe begab sich auf die Jagd. Sie hatten die weißen Hirsche im Sinn, welche wir heute Rentiere nennen. Die Mägen waren leer, und um dem Hunger zu entkommen, liefen die Wölfe in ihrer typischen Jagdweise auf, so wie es ihre Urenkel
noch heute tun.
Die weißen Hirsche wurden gehetzt, und nur die Starken und Schlauen hatten eine Chance zu entkommen.
So begab es sich auch, dass eine sehr prächtige, sehr hübsche Hirschkuh versuchte, sich in einer
buschigen Senke zu verstecken. Doch ihr gar wunderschönes Geweih, zum Himmel strebend, verriet
ihr Versteck an den Anführer der Wölfe. Dieser wendete sich von der allgemeinen Hatz ab und strebte
dem niedrigen Gehölz zu.
Als er die Hirschkuh erblickte, nahm deren atemberaubende Erscheinung den nicht minder prächtigen Wolfgefangen. Ich will nun hier nicht anfangen, das Aussehen beider Geschlechter zu beschreiben, aber es war schon ein magischer Moment, wie es ihn
leider so selten gibt.
Langsam näherte sich der Wolf der in Bedrängnis geratenen, vor Angst zitternden Hirschkuh und
sprach: "Vertrau mir. Ich will dir kein Leid tun. Wie könnte ich auch, ich, der es doch nur auf Kranke und
Schwache abgesehen hat, wie es das Gesetz des Himmels befiehlt.* Doch die Hirschkuh hatte nur im
Sinne: >Soll ich ihn mit meinem Geweih bekämpfen oder wegrennen?<
Wie Frauen so sind, Entschlüsse kommen nicht so schnell, und der stattliche Wolfhatte Gelegenheit,
ihr nahe zu kommen. Von der Schönheit der Hirschkuh berauscht, fing er an, sie über und über zu
liebkosen. Seine Zunge gab der Hirschkuh unerwartetes Vergnügen, und gegen ihren Willen und trotz
ihrer Angst wurde sie hitzig.
Dem Wolf ging es nicht anders, und so wurde zwischen beiden für den Moment die Liebe geboren.
Doch Liebe und Realität sind zweierlei Paar Stiefel. Danach folgte die Hirschkuh ihrer Sippe,
und so tat es auch der blaue Wolf.
Die Hirschkuh wurde trächtig und gebar seltsame Wesen. Wesen mit der Schönheit ihresgleichen
und mit der Liebe und Kraft eines Wolfes. Diese Wesen nannten sich später Menschen, welche als
unsere Ahnen gelten.
Strafe soll dem sein, der Rentier und Wolf nicht mit Respekt behandelt.


DER VERSCHWUNDENE STIEFEL
 
Früher lebten die Murmeltiere in der Steppe, heute begegnet man ihnen auch auf hohen
Bergen. Wie dieser Umzug zustande kam, davon will ich erzählen.
Da gab es einen Tag im Leben einer Murmeltierfamilie, der mit Streit und Gezeter endete. Der
Grund war der verschwundene Stiefel des Hausherrn. Murmeltiere trugen nämlich früher Stiefel.
Jener wollte ausgehen, aber einer der Stiefel war nun mal abhandengekommen. Er war einfach nicht
aufzufinden. Darob erbost, beschimpfte er seine Frau auf das Gröbste. Sie sei schuld, dass er nicht
ausgehen könne. Sie wiederum war sich mit Recht keiner Schuld bewusst, denn sie war wirklich eine
ordentliche Hausfrau. So laut stritt man, dass das ganze Dorfzusammenlief. Schließlich landeten die
beiden Streitenden vor dem Dorfältesten.
»Um was wird hier gestritten?*, fragte dieser.
Die Dorfbewohner erzählten vom verschwundenen Stiefel und wie grob der Mann seine Frau
schalt.
"Warum beschimpfst du deine Frau so? Ist sie dir doch ansonsten eine gute Frau. Hat sie dir nicht
immer alles gut hergerichtet? Und nun, wegen eines Fehlers, fährst du sie grob an. Vielleicht hast
du auf deinen Stiefel nicht aufgepasst«, meinte der Dorfälteste. Der Mann jedoch blieb uneinsichtig.
Da ließ das Oberhaupt der Murmeltiere eine große Waage holen und sprach: "Auf die eine
Schale setze sich die Frau, du aber, der du sie beschimpfst, zählst all ihre guten Taten auf. Und für
jede gute Tat legst du einen Stein in die andere Waagschale."
So angeordnet, musste der Mann berichten und in die Waagschale Steine legen. »Sie hat mir jeden
Morgen meine Lagerstatt gerichtet.* Plumps, fiel ein Stein in die Schale. "Jeden Tag hat sie unser Heim
gehütet. Sie hat sich der Kinder gut angenommen.
Sie hat sich Mühe mit den Mahlzeiten gemacht.*
Plumps, plumps, plumps, fielen wieder Steine in die Schale. Und da die Frau ihm wirklich eine gute Frau
war, wen wundert es, dass die Schale mit den Steinen tief herniederging, während sie selbst auf
der anderen Seite gen Himmel stieg.
Nun sprach der Alteste: "Siehst du nun, dass deines Weibes gute Taten gewichtiger sind? Wie
dumm doch, dass man annimmt, ein Fehler wäre wichtiger als viele gute Taten. Zu schnell vergisst
man dies. Um diesem Umstand abzuhelfen, lasst uns barfüßig ohne Stiefel in Demut zu den großen
Steinen ziehen und dort ein neues Dorf errichten.
Damit die großen Steine uns immer an den heutigen Tag erinnern mögen.«
So gesprochen, geschah es. Der Mann entschuldigte sich bei seiner Frau, und die anderen lobten
ihren Altesten ob des weisen Entschlusses. So leben noch heute die Murmeltiere barfüßig im Gebirge.
Die vielen Steine aber erinnern sie stets an die Vergangenheit.


DER ALTE UND DER WOLF

Ein alter Ewenke hatte sein einziges Ren verloren, weil dessen Fußfesseln gerissen waren,
und so konnte es sich vom Rastplatz entfernen.
Nun saß der Alte da und lamentierte, denn ein Weiterkommen ward schwierig, war doch das Ren
sein Last- und Reittier zugleich.
Ein einzeln gehender Grauwolf, der die Gegend nach Nahrung durchstreifte, fand ihn und fragte:
»Was singst du für ein traurig Lied?« »Mein Ren ist mir abhandengekommen.« - »Dann such es und
heul nicht wie meinesgleichen!* »Ach - siehst du's nicht? Meine Glieder sind nicht so stark wie früher,
das Laufen fällt mir schwer", entgegnete der Alte.
Der graue Wolf legte sich nieder und sprach: »lch wüsst einen Ausweg.* "Ich bin für jede Hilfe dank-
bar, drum erzähle*, bat der alte Ewenke den Wolf.
»Du besitzt ein schönes Messer und solltest zwei Dinge damit herstellen.* »Welche?«, fragte der Alte.
Der Wolf fuhr fort: »Eine Trommel und einen Schlegel." »Was soll ich damit?«, zog der Alte seine
Stirn in Falten. »Steht mit doch nicht der Sinn nach Singen.« »Tu, wie ich es empfohlen habe. In der
Zwischenzeit bring ich dir ein Fell."
Der Wolferhob sich und verschwand im Walde.
Der Alte murmelte: »Was soll's! Ob ich hier herumsitze oder mein Messer bemühe, vielleicht kommt
etwas dabei heraus." Er stand auf und ging zu einer Birke. Diese sprach er mit seiner Bitte um zwei
Hölzer an:

»Werte Birke,
Birke mein,
borge mir
zwei Astlein klein. «

Daraufhin neigte die Birke ihre Krone herab, und der Alte schnitt sich zwei Aste heraus. Er bedankte
sich und ging wieder zum Rastplatz.
Die Aste glättete er und spaltete einen davon in zwei Hälften. Eine Hälfte bog er zu einem Reifen
und band die Enden mit jungen Wurzeln, Aus der zweiten stellte er ein Handkreuz her, das er in dem
Reifen befestigte, um damit die Trommel zu halten.
Danach schnitt der Alte einen Schlegel.
Er hatte ihn gerade vollendet, da kehrte auch schon der Grauwolf zurück. Im Maul trug er ein
Renfell, woraufhin der Alte erschrak. Dachte er doch, es käme von seinem Ren. Der Wolfbemerkte
es und sagte: »Dein Erschrecken spar dir. Dies Fell ist von einem toten Ren. Verendet war's. Gerbe es und
bezieh damit den Reifen."
So tat der Alte, wie es ihm der Wolf aufgetragen.
Er schabte das Fett vom Fell, hängte es in einen Bach, bis die Haare weich wurden, und entfernte
auch diese. "Die Haut schön fest aufspannen und trocknen lassen«, sagte der Wolf.
Nachdem Trommel und Schlegel hergestellt waren, fragte der Alte: "Was jetzt?« »Du kennst das
Klicken der Rengelenke. Schlag in ihrem Takt auf den Rahmen der Trommel", wies der Wolf ihn an,
"Die Haut wird das Klicken deinem Ren zutragen.
Auch deinen Ruf kannst du ihm so zusingen. Es wird dann wieder zurückfinden."
Und in der Tat! Sein Ren fand sich wieder ein und dazu noch einige mehr. Dachten sie doch,
einem anderen Ren zu begegnen.
Der alte Ewenke bedankte sich auf das Herzlichste. Hatte er doch nicht nur sein eigenes wieder,
sondern noch etliche dazu.
So sprach er zum Wolf: »Lass uns die Herde teilen." Der graue Wolf jedoch begnügte sich mit
einem schwachen Ren, lässt er doch auch sonst die Seelen der Schwachen und Alten gen Himmel stei-
gen.
Sie verabschiedeten sich, und der Alte führte die neue Herde seinem Volke zu. Angesehen war er.
Man hörte auf seinen Rat, und lange noch trommelten sie die wilden Rene herbei, um ihre Herden auf-
zustocken. Waren sie doch wie der Wolf auf das Ren angewiesen.
Leider hat Klugheit kein stetiges Wesen. Besitzt sie der Mensch, kümmert er sich nur noch wenig
darum, und sie fliegt von dannen. Denn die Geschichte vom Alten und dem grauen Wolf ver-
gaß man. Auch Reichtum zu teilen vergaßen die Menschen, und sogar dem Wolf gönnte man nicht
einmal ein schwaches Ren. Aus Geiz nahmen sie ihm sein Recht und fingen an, ihn erbarmungslos
zu jagen.
Seitdem gehen Wölfe und Menschen getrennte Wege, und auch das Trommeln hat man vergessen.
Heute hat der Lärm die alten Lieder erschlagen.

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